Storch mit Säckchen im Schnabel, Foto: Pixabay

Der Kindlesbrunnen

auf Schloss Hellenstein

Vorbei sind die Zeiten, da den Kindern vom Storch erzählt wurde. Es ist aber noch gar nicht lange her, dass alle Kinder daran glaubten, der Storch habe sie aus einem Teich oder Brunnen geholt und der Mutter ins Bett gebracht, aber sie ins Bein beißen müssen, damit sie vorerst liegen bliebe.
Weil nun heutigen Tages infolge des Verschwindens aller Sumpfwiesen nichts mehr vom Storch erzählt werden kann, hat er sich zurückgezogen und ist noch selten wo zu sehen, während er früher häufig über Mauern oder Hausgiebeln sein Nest hatte und jährlich im Frühling als glücksbringender Bote begrüßt wurde.

Wo er sich niederließ, war das Haus gesegnet und vor anderen ausgezeichnet, weil der Storch vor Blitzschlag und Unheil bewahrte und Zufriedenheit und Einklang in die Wohnungen brachte. Aber auch im Umkreis wirkte noch sein Segen, und vor allem waren die Kinder beglückt, wenn sie ein Storchenpaar im Neste sahen und mit den langen Schnäbeln klappern hörten. Vollends entzückt waren sie, wenn die majestätischen Vögel ihre Schwingen breit ausluden und davonflogen, um Nahrung für die Jungen zu holen. Dann riefen sie ihnen zu: Storch, Storch, bester, bring mir eine Schwester, oder Storch, Storch guter bring mir einen Bruder.

Wenige wissen heute noch vom dem alten Namen des Storches und, falls er ihnen geläufig ist, können sie sich ihn aber nicht in seinem Sinn deuten. Adebar hieß er und war der Atem- oder Lebenträger aus den weiten Lüften und der geistigen Herkunft aller Menschenkinder.
Wenn das Neugeborene nach dem Austritt aus dem Mutterleib den ersten Schnaufer tat, dann hatte der Atem- oder Odemträger Pate gestanden.

Das entscheidende Lebenselement brachte Meister Adebar den Neuankömmlingen auf dieser Erde, und deshalb war er auch in Heidenheim, bis vor kurzer Zeit noch willkommen. Mit Jauchzen begrüßt wurde im Frühjahr die Rückkehr der Storchenpaare zu ihrem Nest, und gespannt beobachteten die Kinder alles emsige Sorgen um die ausgeschlüpfte Brut. Zu den sumpfigen Brenzwiesen flogen die Eltern abwechselnd hin, um Frösche für die Jungen zu holen.
Wenn sie zu lange ausblieben, dann hatten sie gewiß den Auftrag, Pate bei einem jungen Menschlein zu sein.
Wei sie aber manches Mal sehr schnell zurückkehrten, glaubten die Kinder, dass die Störche nur bis zum Schlossbrunnen geflogen seien, um die Neugeborenen in Empfang zu nehmen und dem gesegneten Haus durch die Lüfte hinzubringen.

Kindlesbrunnen nannten die Kinder deswegen den Schlossbrunnen, und so heißt er noch heute.

Quelle: Sagen aus dem Heidenheimer Land, Gerhard Uhde, Verlag Werner Jerratsch Heidenheim 1979

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